Konstantin Hurston hustet kurz und sieht auf: „Sie sind zu früh dran, mein Freund. Der Transporter wird erst in einer Woche bereit sein. Es tut mir leid wegen der Umstände. Ich habe aber vielleicht eine andere Aufgabe für Sie. Angesichts Ihres Hintergrunds würde ich Sie gern als Söldner einsetzen.“
Nathan verzieht missmutig das Gesicht.
„Oh, ich sehe, Sie sind davon nicht gerade begeistert.“
„Sagen wir es mal so: Ich bin kein Freund des Söldnergewerbes. An was haben Sie denn gedacht?“
„Ein Security Outpost wurde von Piraten überfallen. Ich denke, mit Ihrem militärischen Können könnten sie das bereinigen.“
„Eine Bodenmission?“
„Ja... ist das ein Problem für Sie?“
„Nein, nur hatte ich...etwas anderes erwartet.“
Nathan verlässt das Büro von Konstantin Hurston, läuft vorbei an der Börse, wo Anleger und Händler lautstark die Kurse der Aktien verfolgen. Dann setzt er seinen Helm auf. Nie zuvor hat er einen Planeten gesehen, der so zugerichtet wurde. Er sieht ärmliche Gestalten, denen selbst die billigsten Plastikhelme offenbar zu teuer sind. Einige von ihnen müssen mehrmals husten und haben offenbar Probleme mit dem Atmen. Geradezu zynisch liest Nathan gleich mehrfach an Webertafeln den Spruch „Creating a Better World“. Es kommt ihm vor, als wollte der Verfasser dieses Spruches Hurston Dymanic regelrecht verspotten.
Als er den Tesa Spaceport erreicht, begibt sich Nathan direkt in die Lobby und ruft sein Schiff – eine Gladius, ein Überbleibsel aus seiner einstigen militärischen Laufbahn. Sie ist ein guter Jäger, sowohl im Atmosphärenflug als auch im Weltraum. Flott steigt Nathan in sein Schiff und die Triebwerke heulen auf, als er sie aktiviert. Nachdem er den Flugkorridor verlassen hat, bewegt er sich Richtung des Outposts. Um Zeit zu sparen, verlässt Nathan die Atmosphäre und macht den Quantumtravel bereit. Es ist eine Sache von nur wenigen Minuten und schon ist er nur noch 30 Klicks von seinem Ziel entfernt.
Durch den hohen Verschmutzungsgrad des Planeten fliegen Partikel selbst in dieser Höhe gegen seine Pilotenscheibe. Seine Sensoren können daher keine detaillierte Erfassung des Zielgebiets erstellen. Nathan hofft, dass sich nicht zu viele Schiffe dort aufhalten. Wenn alles optimal verläuft, muss er zumindest keinen Atmosphärenkampf befürchten.
Das Schiff streift durch die Wolken und Nathan hat einen umfassenden Blick auf die Oberfläche – doch als er sich nähert, ereilt ihn eine böse Überraschung. Die Verteidigungsgeschütze aktivieren sich und nehmen seine Gladius unter Beschuss. Kaum treffen sie auf seine Schilde, fallen diese schnell in den kritischen Bereich. Nathan weicht aus, spürt wie die G-Kräfte an seinem Körper zerren. Als würde das Schiff selber aufstöhnen, dröhnen die Triebwerke und er landet auf einem Hügel, der den Schussbereich der Geschütze schließlich blockiert. Holpernd setzt Nathan seine Gladius ab.
Nathan klettert aus seinem Schiff und begibt sich geradewegs zum Außenposten. Die Geschütze sind darauf geeicht, auf Fahrzeuge und Raumschiffe zu zielen, aber nicht auf Menschen. Daher kann er sich schnell und unbehelligt an ihnen vorbei bewegen. Das Eingangstor ist beschädigt und er begibt sich in die Richtung des Aufzugs. Vorsichtig läuft er zum Schacht und drückt den Knopf nach unten. Mit einem metallischen Knarzen bewegt sich der Fahrstuhl in die Tiefe. Nathan hofft, auf Anfänger zu treffen. Dann sollte es nicht allzu schwer werden. Als der Fahrstuhl stoppt, schleicht sich Nathan vorbei an Kisten und andere Objekten und erblickt schließlich sein erstes Ziel.
Er schießt mit seiner Maschinenpistole – einer von acht Piraten ist erledigt. Ein Zweiter rennt auf ihn zu, unerfahren und unbedacht, auch er ist schnell erledigt. Doch plötzlich hat Nathans Waffe eine Ladehemmung. Nathan flucht und nimmt sich von der vor ihm liegenden Leiche das Maschinengewehr. Doch dann zückt er lieber sein Scharfschützengewehr – zwar nicht gerade die beste Wahl auf kurze Distanz, aber auf ihre Durchschlagskraft kann er sich dennoch verlassen. Nathan erwischt zwei weitere Piraten. Sie müssen noch arg grün hinter den Ohren sein, doch Nathan weiß, dass sein Glück nicht ewig hält. Schließlich nimmt ihn auch schon einer der Piraten unter Beschuss. Funken sprühen, als die Kugeln des feindlichen Sturmgewehrs die Kiste treffen, hinter der sich Nathan versteckt. Nathan wirft eine Granate und erwischt den Angreifer direkt – nun sind es nur noch drei.
In dem unterirdischen Bunker gibt es noch eine tiefere Ebene, doch Nathan entscheidet, nicht hinabzusteigen: zu gefährlich. Lieber versucht er, die verbliebenen Outlaws von der oberen Ebene zu erwischen. Schließlich findet er eine Lücke und schaltet zwei weitere mit seinem Scharfschützengewehr aus. Nun ist nur noch einer übrig. Nathan stürmt nach unten und stellt endlich den letzten mit der erbeuteten Waffe. Er trifft ihn am Bein, der Pirat fällt vor Schmerz schreiend zu Boden. Nathan nähert sich ihm mit der Waffe in der Hand. Plötzlich schaut ihn der Pirat direkt an. Es ist ein junger Mann, nicht viel älter als Nathan selbst – und Furcht steht ihm in die Augen geschrieben. Dann öffnet er den Mund, als wollte er etwas sagen, doch Nathan fällt ihm ins Wort, kann nicht mehr an sich halten.
„Du dreckiger Piratenabschaum. Kein Wort! Ich möchte kein Wort von dir hören. Ihr verdient es nicht zu leben. Von euch kommen nur Lügen und ihr zerstört das Leben anderer Menschen, während wir uns im Krieg gegen die Vanduul befinden. Ich habe schon genug wegen Menschen wie dir verloren. Ich habe alles wegen Abschaum wie euch verloren! Magst du in der Hölle schmoren!“
Nathan zielt mit seinem Gewehr auf den Kopf des Piraten. Dieser blickt Nathan jedoch flehend in die Augen.
„Nein...nein…“
Nathan hält noch immer seinen Finger am Abzug. Innerlich wünscht er sich nichts sehnlicher, als endlich abzudrücken. Und doch zögert er und eine innere Stimme sagte ihm, dass das nicht richtig ist. Schweiß rinnt Nathan übers Gesicht und er fängt an zu zittern.
„…wenn du das tust, bist du nicht besser als sie!“, sagt ihm seine innere Stimme.
Seine Gedanken werden immer chaotischer. Er denkt an seine Vergangenheit, Vega II. Das Tiber-System. Kristina. Und dann scheint es, als würde er ihre Stimme hören, wie sie unter Tränen sagt:
„Lebe für mich weiter...“
Nathan schreit, als würde es ihn innerlich zerreißen. Der Pirat blickt Nathan voller Furcht an.
„Verschwinde!“
Nathan legt die Waffe ab und der Pirat sucht das Weite, so schnell es seine Beine erlauben. Nathan aber legt seinen Helm ab und kann nicht mehr an sich halten. Wut, Hass und tiefe Trauer verzerren sein Gesicht, während ihn die Schatten seiner Vergangenheit schließlich einholen.
Willkommen in der Kantine, Reisender...