Shallow Frontier war ein Bienenstock. Ununterbrochen starteten Kampfschiffe und landeten zivile, um neue Leute und Munition zu bringen. Zwar unterhielt die UEE Navy einen Stützpunkt in der Nähe, aber die Zivilisten, die der Navy helfen sollten, durften dort nicht auftanken. Also wurde Mic-L1, Shallow Frontier Station, zum Drehkreuz.
Ich war erstaunt, wie viele Piloten Agent Dullis Ruf folgten, die Terroristen zu bekämpfen. Sicher, ich hatte auch schon von Randsektoren gehört, wo die Bewohner die Sicherheit in die eigenen Hände nahmen, aber zum einen war dies hier kein Randsektor und zum Anderen war hier nicht nur die UEE präsent. Aber wo waren denn jetzt die hochgelobte Hurston Security oder Crusaders Guards? Wahrscheinlich hatten die sich auf ihre Planeten zurück gezogen und warteten ab, bis die UEE diese Xeno-Terroristen entsorgt hatte.
Ich hatte mit Mühe einen Platz auf einem Transporter gefunden, der Nachschub nach Shallow Frontier brachte. Das ganze Schiff war voll mit Munitionskisten und überall saßen Piloten, die sich auf den Einsatz vorbereiteten.
Und das waren keine Outlaws oder Glücksritter, sondern scheinbar ganz normale Bewohner Stantons. Der eine zog sich einen Raumanzug über sein „Dumpers Depot“ Arbeitshemd, ein anderer trug gleich seinen Covalex-Flightsuit. Eine einheitliche Uniform gab es nicht. Jeder trug offenbar, was er gerade im Haus hatte. Männer, Frauen, selbst Jugendliche wollten ihren Sektor verteidigen.
Und jeder hier trug eine Waffe am Gürtel, viele sogar ein Gewehr über den Rücken. Magazine und Granaten schienen wie selbstverständlich zur Ausrüstung zu gehören.
Wenn die UEE es nicht schaffte, mussten sie eben selber Hand anlegen.
Aber das schaffte keine guten Voraussetzungen, um hier ein Transportunternehmen aufzubauen. Wir, also Adasa, wollten hier handeln, Bergbau betreiben – und mussten immer damit rechnen, dass die Leute zu ihren Waffen greifen, wenn sie sich bedroht fühlten?
Auf Mic-L1 eingetroffen musste ich feststellen, dass die Waffen allein nicht das Problem waren. Die UEE und auch die Konzerne ließen zu, dass die Zivilisten hier Kampfschiffe unterhielten!
Ich sah nicht nur Jäger in den abenteuerlichsten Lackierungen, sondern auch große Schlachtschiffe, die stolz die Logos irgendwelcher selbsternannter Milizen trugen.
Eigentlich hätte ich jetzt schon umkehren und einen Flug zurück nach Terra buchen können. Ich schicke doch keine Frachter raus, wenn hier jeder Chaot eine Vanguard oder Hornet sein Eigen nennt!
Doch bevor ich dem alten Asada sage, dass er seine Idee, hierher zu expandieren, abhaken kann, wollte ich dem jungen Asada, Nathan, eine Chance geben, seine Sicht der Dinge zu erläutern. Schließlich ist er, wie ich erfahren hatte, bereits seit einem Jahr im System. Und allen Informationen nach ist er hier irgendwo auf Shallow Frontier. Oder besser, hier war sein letzter Kontakt.
Ich werde aber bestimmt nicht da raus in die Kampfzone fliegen, um ihn zu suchen! Die einzigen Schiffe, über die ich im Moment verfügte, waren Frachter. Und die befanden sich unten auf MicroTech. Warum auch immer der Transporter die dorthin geliefert hat und nicht wartete, bis ich ihm einen Raumhafen zuwies.
Immer wieder sah ich zur Anzeige, wo die Flugkontrolle versuchte, die an- und abfliegenden Schiffe aufzuzählen. Asada war bislang nicht dabei gewesen. Ich hatte schon versucht, mich in die Funkfrequenzen aus der Kampfzone rein zu hören, aber da war noch mehr Chaos als hier auf der Station. Offenbar wurde da draußen heftig gekämpft und die Zivilisten gaben ihr Bestes, ihre Heimat zu verteidigen.
„Sind Sie Cyrill Walker?“
Bei der Stimme drehte ich ich um. Auch wenn ich Nathan Asada bisher nicht kannte - er war es. Die Züge seines Vaters erkannte ich sofort wieder.
„Ja. Nathan Asada, nehm ich an.“
Er nickte. „Freut mich, Sie kennen zu lernen.“
Zuerst dachte ich, diese Freude würde nur kurz währen, da ich ihm sofort eröffnete, dass sich hier kein Transportunternehmen würde aufbauen lassen.
Aber der junge Asada blieb ruhig. So schlimm sei Stanton gar nicht erklärte er mir, nachdem wir uns in eine ruhige Ecke gesetzt hatten.
Diese Terroristen wären nur ein vorübergehendes Problem. Und sie wurden schon mehrfach gerupft und nach Pyro zurück getreten. Wenn das die UEE nicht hinbekommt, dann machen es die Stantoner eben selber.
Und die Asada Corporation würde sich ab jetzt daran beteiligen.
„Der Securityabteilung wurde dafür eine Redeemer zur Verfügung gestellt.“
Ich schluckte, als Nathan das wie nebenbei sagte. Die Corporation hatte eine Redeemer?
Dieses Kampfschiff hatte ich bislang nur ein einziges Mal gesehen - auf Terra, wo die UEE ein kampfgezeichnetes Exemplar von der Vanduulfront ausgestellt hatte.
Und so ein waffenstarrendes Monster haben wir jetzt auch?
Da scheinen es die Asadas ja ernst zu meinen.
Aus dem Augenwinkel sah ich, dass Nathan Asadas Name jetzt endlich auf der Anzeige auftauchte. Die Flugkontrolle hing wirklich weit zurück.
Hoffentlich bekommen die das Chaos bald unter Kontrolle, denn so kann ich keine Frachter starten lassen.
Nathan Asada schien überzeugt davon zu sein, dass die Sicherheitsabteilung, die er aufzubauen gedachte, die Situation unter Kontrolle halten könnte.
Bislang kannte ich Asadas Security nur als bessere Polizisten, die mal die Fracht oder die Flugschreiber kontrollierten. Aber wenn hier so viele Waffen im Sektor waren, dann mussten wir wohl mithalten. Zumal die vielen Waffen die Sicherheit auch auf ihre eigene Weise erhöhten: wenn jeder eine trug, dann hatte auch jeder ddas Risiko, ddass der nächste Strei der letzte sein könnte. Also sollte man ihn einfach vermeiden.
Ich war noch nicht vollends überzeugt, dass das der richtige Weg war – aber Nathan sah aus als wüsste er, was er da tut.
Dann musste ich mich wohl mit dem Gedanken anfreunden, dass die Waffe, die an meinem Gürtel hing, hier wohl ein ständiger Begleiter sein würde.
Crusader, Microtech, ArcCorp, Hurston … das waren schon gewichtige Gründe, sich darauf einzulassen.
Also gut, Nathan Asada. Ich werde mich darauf verlassen, dass meine Frachter hier sicher sind.
Dass ihr sie absichert!
Als wir uns verabschiedeten, piepte mein Comm. Lucy hatte auf Arc-L1 Büros angemietet und auch Unterkünfte standen bereit.
Sobald ich zurück kam, konnten wir den Betrieb aufnehmen.
Ich sah Nathan Asada nach, wie er in Kampfmontur zu den Schiffsterminals zurück ging. Meine Pistole saß noch immer unbequem und es würde wohl eine Weile dauern, bis ich genauso locker hier entlang gehen könnte, wie es die Stantoner machen.
Mit einer Waffe an der Hüfte und dem Wissen, dass hier jeder so ein Ding trug.