"Statt in Stille ewig leben. Lieber gehen mit einem Knall."
Er faltete die Hände zusammen, presste die Finger aufeinander und blähte den Mund auf. Dann streckte er die Arme, ließ die Hände auseinander gleiten und die Luft schlagartig aus den Wangen schießen.
"Buuum...ich sags dir. Pew, pew, pew, bam, bam, bam und zack. Eine weitere Kerbe auf meinem Flügel", stöhnte, prallte und feierte er seine Erfolge. Der junge Mann, der da so prahlte war Eros, mein Flügelmann in unserem kleinen Geschwader aus Hawks. Ich war 17? 19? Irgendwie so. Wir hatten gerade als Staffel der Viz eine Auseinandersetzung mit einer rivalisierenden Gruppe gewonnen. Eine Fehde, an der ich nicht ganz unschuldig war.
"Alter, Xine. Ich mein, dass war ja ganz cool und so, aber ehrlich? Wegen nem Hoverbike?" - "War ein hübsches Hoverbike.", entgegnete ich. Zu dieser Zeit und vermutlich noch immer, war das eine valide Begründung für mich gewesen Streit zu suchen. Triebwerke waren mein Ding und die Teile, an denen sie befestigt waren umso mehr. In dem Fall gab es zunächst eine Prügelei um ein Hoverbike, von dem ich die Finger nicht lassen konnte, die dann relativ schnell in einer handfesten Auseinandersetzung im Orbit führte. "Und ich war so hyyuuuu, Xine dann so nyyuuuuu und pew pew und wusch", führte Eros seine oder unsere Heldentaten weiter aus. In diesen Tagen fühlten wir uns mit den Viz unbesiegbar. Doch mein Verstand sagte mir schon damals, dass es nicht so leichten sein würde, konnte...oder doch? Ich war getränkt von dem Rausch den es gab, wenn die Hawk einen mit 10 G in den Sitz presste. Die Rollen und Manöver, die man durch Asteroidenfelder jagte, der Jubel der Kameraden, wenn ein Abschuss, ein Treffer oder auch nur das richtige Kommentar gelang. Die Viz waren Familie und diese Familie blieb zusammen, Standhaft. Sie verdorb mich nicht nur für die dunkle Seite, sondern auch für etwas wie Selbstreflektion.
Zwei Glockenschläge ertönten und in Folge des Knisterns erhellte die monotone Stimme einer Frau den Hangar.
"Sehr geehrte Gäste, gerne weisen wir daraufhin, dass die Materialeinfuhr der Raffinerie keine korrekte Entsorgung jeglicher Form von Lebensmittelüberresten ist." sprach sie in einer derart entnervten Tonlage, dass man zweifelte ob es sich hierbei um eine Ansage oder doch um eine Live-Übertragung handelte. Rotes Licht durchflutete den spartanischen Hangar in dem ich gerade Stand. Nur weniger Zentimeter entfernt stand vor dem dunklen Nichts, einem Abgrund der Meter in die Tiefe rakte. Ich lehnte mich vor, ein Fuß hinter den anderen gesetzt. Meine Augen zusammen gekniffen, erkannte ich wie die Limping Owl langsam aus ihrem metallischen Käfig empor gehoben wurde. Es vergingen einige Sekunden in denen der ohrenbetäubende Lärm und die wild wirbelnden roten Lichter signalisierten, dass man nun vielleicht kurz hin schaute wo man hintreten wollte.
Ich machte auf dem Absatz kehrte und bewegte mich schon einmal Richtung Frachtaufzug, während ich die lange Seite des Hangars passierte, würdigte ich die Owl mit einem Blick von der Seite. "Majestätisch", merkte ich flüstert an und quittierte, das Emporhebens des Frachters. Angekommen an der Konsole für die Steuerung des Aufzugs ließ ich diesen augenblicklich mit der zu beladenen Fracht nach oben kommen. Mit der Eleganz eines Revolverhelden nahm ich den Traktorstrahl von der Hüfte, richtete ihn auf eine Kiste und brachte diese Sicher in der Owl unter. Mein nächstes Opfer folgte zu gleich und ich wähnte mich in der Nutzung eines zweiten Traktorstrahlers. So ging es nun bereits seit Wochen. Nichts gegen die Verladung und den Transport von Fracht, aber ich hatte von mir mehr erwartet, ich hatte anderes erwartet, ich hatte zu viel Erwartet. Ich bekam in den letzten Monaten so dermaßen hart aufs Fressbrett, dass Warentransport meine Rehabilitation war und der Traktorstrahl Ausdruck meiner Demut.
Ich war alles falsch angegangen. Ich kam nach Stanton mit der Selbstsicherheit der Größte und Geilste zu sein. Der beste Schütze, der beste Kampfpilot, der beste Rennpilot, charmanter Broker, erfolgreicher Schmuggler. Stellte sich heraus, dass ich nichts davon war und noch viel mehr, dass meine maßlose Selbstüberschätzung nur zu Problemen geführt hatte. Als Meisterpilot sondergleichen, hatte es die Owl in ihrem ersten Gefecht unter meiner Obhut beinahe zerfetzt. Beim Schmuggeln hatte ich mir Zero gezeigt, wie wenig ich wusste und wie viel ich zu lernen hatte. Das Netzwerken war so erfolgreich wie auf Hurston Gerechtigkeit zu finden und es kam extrem ungeil und zwielichtig an wenn man sich...naja zwielichtig verhielt. Schlussendlich dachte ich, dass ich mir eine Razor ausleihen und mal eben die Streckenrekorde brechen konnte. All-Star am Arsch. Nach stundenlangem probieren in der Sim war mir klar, dass ich nicht an die Zeiten heran kam, die es nun gab.
*Ein Schnaufen ist in der Aufnahme zu hören*
Am Ende des Tages wollte ich zu viel, zu schnell. Ich dachte eigentlich...
"Bist du da jetzt endlich fertig oder soll ich dir packen helfen?", maulte der Facharbeiter aus der Distanz. "Hier gibt's noch größere Schiffe als deine Nussschale!".
"Entspann dich, entspann dich!", maulte ich genauso unhöflich zurück. Ich schloss die Owl, tippte auf dem Hangarterminal herum und ließ die Owl erneut in ihren metallischen Käfig zurück, voerst. Seufzend ließ ich mich auf einer Kiste hinab und beobachtete die anderen Arbeiter beim Beladen von Frachtern.
Die Zeit mit den Viz war bezeichnend gewesen. Und obwohl ich versucht hatte alles loszuwerden, was mich mit Ihnen in Verbindung brachte, tat ich genau das gleiche wie zuvor. Von wegen sein eigenes Ding machen. Der einzige Unterschied war, dass ich fortan alleine war. Keine Rückendeckung, keine strategische Beratung, keine Macht durch eine Flottille. Ich erkannte erst jetzt wie sorgfältig die Viz ihre Beziehungen gepflegt und wie genau sie ihre Aufträge ausgewählt hatten. Ich hatte mich, wir hatten uns, wie unsterbliche Götter gefühlt. Jetzt, so auf mich alleine und ohne diese Rückendeckung. war alles verdammt viel schwerer.
Gedanklich griff ich mir in die Haare und riss an Ihnen. Noch 14 Tage hatte ich Zeit. Noch 14 Tage bis mein Kredit fällig war und ich entweder kopfüber baumelte, das letzte Mal regeneriert wurde oder die Owl bald neue Besitzer hatte. Ich hatte, nichts. Oder zumindest nicht genug. Elender Halsabschneider. Niemals hatte ich es für möglich gehalten, dass es mir so schwer fallen würde die Kohle zusammen zu kratzen. Und auch deswegen war ich nun hier in der Nähe von Hurston. Einige Monate zuvor bekam ich Besuch. Keine Ahnung wie sie mich gefunden hatten, vermutlich über einen Sender in der Cutlass, aber als sie an meine Tür klopften, begannen schmerzhafte Stunden. Das bisschen was ich hatte, nahmen sie mit. Vorzeitige Tilgung war das Geheimwort dafür. Sie machten klar, dass sie wussten, dass ich wusste, dass ich am Arsch war. Danach war es Kopf unten halten, abtauchen. Das ironische daran? Ich habe noch eine Hornet, ein Klassiker, erworben durch eine kleine Bekanntschaft, flott gemacht mit teuer verdienten Credits. Auf der Stelle hätte ich sie eintauschen können und den Kredit abbezahlen könne, aber diese Vollidioten haben doch gar keinen Geschmack für so einen Klassiker. Bei denen wäre das Schiff nur Zeitverschwendung. Nein, nein. Die Hornet war zwar kein Frachter aber sie war mein Ticket für Anonymität und genau das, was ich stellenweise brauchte. Was jedoch nichts an der Tatsache änderte, dass ich Geld brauchte.
Mit SCRM war ich zwar nicht gescheitert, aber erfolgreich sah anders aus. Von "Tun was auch immer du willst" über "Ich erschieß auch Leute, die ich nicht kenne" bis zu "Wir sind eine seriöse Unternehmung" ist nur der Frachttransport und die paar Aufträge, die Hurston rüber wirft, übrig geblieben. Crusader hat mir den Laufpass gegeben. Nachdem ich bei STL kein Stück weiter kam und mich Devin quasi sitzen gelassen hatte, war es relativ schnell aus mit der Mitarbeitertreue. Statt auf Orison Cocktails zu schlürfen, lieg ich im Hurston System im Dreck und versuch nur nicht noch mehr Scheiße anzuziehen. Hermieoth, Cäcilia und Val würden sich vor Scham wegdrehen. Zurecht, würde ich sagen, aber bei Not war die Wahl der Mittel indiskutabel. Sowieso war der Griff in diese Clique ein Griff ins Klo. Herr "Geil und Genial", wie ich mich selbst wahrnahm, prallte an der Eingeschworenheit der Truppe ab. Wenn ich mit Zero sprache, wusste Hermie was davon, ging was bei Val klar, wusste es plötzlich wieder jemand. Zero und Ray hassten sich bis aufs Blut und obwohl alle irgendwie miteinander konnten und dann doch nicht, war es wie die Zankerei einer Patchwork-Familie. Entweder versuchte man mich zu rekrutieren oder einen Gefallen abzugreifen. "Gefallen gegen Gefallen". Ich hatte ja nichts gegen etwas Freundschaft aber solange mir einer dieser Gefallen nicht den Unterhändler vom Hintern wegzauberte, waren Credits einfach besser.
"Yo, Xine! Wir brauchen noch ein bisschen SCU, hat die Owl noch Platz?", baffte einer Frachtarbeiter mich indiskret von der Seite an und riss mich dabei aus meinem Gedankentraum.
"Klar!", entgegente ich. "Wenn du sie bezahlst, mach ich sie dir fertig", feilschte ich. Als Quittung kassierte ich erst einen Mittelfinger und dann einen Daumen hoch. Erstklassig. Gleiche Route, doppelt Geld. Alles in allem war es ruhiger, kleiner skaliert. Und obwohl das eine oder andere Actionmanöver noch auf der Karte stand war es dennoch irgendwie ein Downgrade.
*Man hört ein Schmunzeln durch die Aufnahme, ehe diese abrupt beendet wird*
