Zitat"Leben für Leben. Schiff für Schiff"
Hinweis: Im folgenden Text wird Gewalt beschrieben
"Also ein echter Levski-Junge, ja?" - "So echt wie das Minen-Equip ist, was man hier zu Geld machen kann" - "...klar" - "Okay, hör mal..." - "Hör mal?"
Orin Kaede, der Schiffsunterhändler mit dem ich mir gerade ein Wortgefecht lieferte, hob beide Augenbrauen. Sein Sitz festigte sich, seine Hände umfassten die Sitzlehnen und ich sah zweifelsohne eine kleine Ader am Hals pulsieren. Seine bernsteinfarbenden Augen durchbohrten die meinen und für einen Moment zog die Stille in den Raum. Als Konter presste ich die Lippen aufeinander und ließ die Mundwinkel der Schwerkraft folgen. Mein Atem presste sich gezwungen aus den Lungen durch meine Nase heraus.
"Darf ich?", fragte ich ruhig, vorsichtig und dennoch entnervt. Immerhin waren wir bereits seit zehn Minuten im konstanten Schlagabtausch über Nichtigkeiten. Levski, Delamar, wo ich herkam, wo ich hin ging. Ich hatte nur gehört hier ein günstiges, verlässliches und einigermaßen unauffälliges Schiff zu bekommen ohne durch alle offiziellen Kanäle gehen zu müssen. Stattdessen wurde ich durch verschlungene und verwinkelte Gassen geführt bis ich unter einer Spelunke in einem Hinterzimmer Platz finden durfte wo es nach Zigarettenqualm und zerstörten Träumen nur so roch. Schräg hinter mir stand ein muskelbepackter Schläger, der mir sicher auch nur aus Spaß ein paar auf die Nase geben würde. Vor mir saß, an einem kleinen, vollgemüllten Schreibttisch, Orin Kaede. Er bediente das Klischess des schmierigen Händlers zu bedingt. Ja er war gierig und gewieft, aber nein, er sah auch danach aus. Sein dunkles Haar war nach hinten gegelt, seine runde Brille lag lose auf der Nase und seine Zähne waren in einem außergewöhnlich guten Zustand. So wie Orin saß, redete, sich bewegte und eine Präsenz in den Raum trug, bekam man das Gefühl, dass er dachte, er sei eine große Nummer auf Levski. Orin streckte die rechte Hand und drehte diese in kurzen Kreisbewegungen. Mittlerweile bekam ich währenddessen das Gefühl, dass das vielleicht sogar stimmen konnte.
"Ich brauche ein Schiff und habe Geld. Du hast ein Schiff und willst mein Geld. Danach bin ich weg und wir sehen uns nicht wieder, wie schauts aus?" - "Wie viel Credits hast du?" - "Knapp 700.000", sagte ich und kam kaum dazu meinen Satz zu beenden, da fing Orin an zu lachen. Laut. Nervend. Gespielt. Einige Sekunden hielt er sich nicht zurück. Indes presste ich wieder meine Lippen aufeinander, formte sie zu einem Strich und ließ die Luft gepresst durch die Nase entweichen. "700?", rief er mir spöttisch entgegen. "Dachte du willst ein Schiff und keinen Sitz mit Triebwerken!", spottete er und traf auf mein steinerndes Gesicht. Ich war den Typen so unfassbar leid und wollte am liebsten einfach nur wieder gehen, mir ein Taxi nehmen und ab da per Anhalter fahren.
Schneller als ich meinen Gedanken beenden konnte, kehrte der Geschäftssinn wieder in Orin ein. Er rückte seine runde Brille auf der Nase zurecht, schloss den Mund und beugte sich über seinen jämmerlich kleinen Tisch hinüber. Sein Grinsen formte sich zu etwas schelmischen, seine Augen funkelten nach Credits und ich roch die Gier in seinem Atem.
"Vielleicht kommen wir ja doch ins Geschäft", nuschelte die Raffgier mir entgegen.
"Shields hit, Shields hit, Shields at forty-five Percent", klärte mich die ruhige, angenehme und weibliche Stimme des Bordcomputers der Cutlass über den Umstand derzeitigen Situation auf. Die Meldung ging im Lärm der Alarmsirene und dem Blut, dass durch meine Ohren floss, unter, als ich die Limping Owl hart in eine Rechtsdrehung warf. Meine Muskeln krampften während ich mit Gewalt den Nachbrenner aktivierte um die Cutlass aus ihrer Flugbahn zu werfen und mich die G-Kräfte aus allen Richtungen in und aus dem Sitz zogen oder drückten. "Shields hit", meldete der Bordcomputer erneut. "Triffst du auch nochmal!?", schrie ich Kai verzweifelt über das Intercom an, der gerade im Geschützturm der Owl hing und überall hin ballerte, nur nicht auf das worauf er sollte.
Die Story dahinter? Relativ schnell erklärt. Mein Jahr neigte sich dem Ende zu und meine Schulden waren nicht abbezahlt. Es war offensichtlich, dass ich die Summe nicht aufbringen konnte. Nachdem ich bereits vor ein paar Monaten Besuch von Orins Handlangern bekommen hatte, dachte ich, dass ich in Ruhe gelassen werden würde. Falsch gedacht. Stattdessen wollte Orin nochmal genau sichergehen, dass ich unsere Vereinbarung nicht vergessen hatte. Er schickte also erneut ein paar Handlanger, um mich einzuschüchtern. Das Ganze ging aber nach hinten los.
Zugegeben, mein Fehler. Mir platzte der Kragen, es eskalierte, wir stritten und nun verfolgten eine Zeus und eine Blade mich schon durch zwei Quantumsprünge. Endstation war der Asteroridengürtel um Yela, in dem wir uns nun in einem waschechten Kampf verkeilt hatten. Der Frischling, der den Fehler machte und in meinem Geschützturm Platz gefunden hatte, war ein Frischling. Kai hatte ich auf einer der äußeren Stationen von Hurston aufgegabelt. Mir war es lieber, wenn jemand den Turm besetzte und er wollte mal ein bisschen rumkommen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir uns das beide hatten anders vorgestellt.
"Kai!?", raunte ich durch das Com. Ich bekam zwar keine Antwort, war mir aber klar, dass der Junge alles tat was er konnte, um die Blade, die uns am Heck klebte auszuschalten. Während der Turm der Cutlass im roten Leuchtgewitter hinter sich feuerte und ständig die Kapazitoren leer liefen, trieb ich die Zeus vor mir her durch den Asteroidengürtel. Immer wieder verschwomm mir die Sicht durch die harten G-Kräfte und Blut, welches mir ins Auge lief. Die Owl heulte auf, die Triebwerke glühten und Lämpchen leuchten in dem Cockpit auf. Die Kühler, die Schilde, der Nachbrenner. Alles in der Cutlass suggerierte, dass die Entscheidung in das Asteroidenfeld von Yela zu fliegen eine verdammt dumme Idee gewesen war.
"Shields at 10 Percent" - "Kai verdammt". Es fetzte laut, die Owl wurde durchgeschüttelt und für einen Moment dachte ich wir hätten einen Asteroiden gerammt oder die Blade wäre in Flammen aufgegangen. "Oxygen low", meldete mir der Computer. Ich presste die Augenbrauen zusammen und während in die Cutlass nach oben zog und mein Kopf in den Nacken knallte, sah ich das klaffende Loch an dem zuvor der Geschützturm gewesen war.
Für einige Momente blieb die Zeit stehen. Mir gingen allemöglichen Gedanken durch den Kopf und gleichzeitig kein einziger. Es war wie ein Zwicken, wie Lava, die sich den Weg durch meinen Körper bahnte. Gleichzeitig hatte ich das Gefühl, meine Hände nicht mehr zu spüren. Meine Augen sahen, nahmen aber nicht mehr wahr. Mir wurde heiß und dann sofort wieder kalt. Angst zog durch meine Brust direkt in mein Herz. Angst zu sterben, Angst nicht zu sterben und vor der Regeneration elende Schmerzen in dem Wrack zu erleiden. Mein Instinkt trieb alle Gedanken zur Seite und ergriff die Kontrolle über den Steuerknüppel meines Verstandes.
Die Cutlass stellte sich vertikal zur Flugrichtung auf, die Triebwerke wechselte in den Schwebemodus, schwenkten um und mit Nachbrenner und vollem Schub presste es meinen gesamten Körper in die Sitzfläche. Im Nu flog ich Rückwärts der Blade entgegen und endete die Nase auf den leichten Jäger. Mit einem Knopfdruck brüllte die Limping Owl der Blade alles entgegen was in den Kapazitoren steckte und statt einem Jäger raste mir ein Feuerball entgegen. Noch gerade so konnte ich dem Wrack ausweichen ehe es den rechten Flügel zerfetzte und das Triebwerk beschädigte. Ich ließ die Luft erleichtert aus der Brust entweichen. "Radar Lock", doch es war nicht vorbei. Die Zeus kam zurück, um den Job zu beenden. Ich ließ die Cutlass herunter, im Eiltempo Richtung Yela sausen.
Mein Schädel dröhnte, ein Fiepen zog über meine Ohren und meine Augen weigerten sich zu öffnen. Jede Bewegung schmerzte so bitterlich, dass ich am liebsten geweint hätte. Meiner Benommenheit zum Trotz füllte metallischer Geschmack meinen Mund. Als ich langsam meine Lider heben konnte, sah ich die Flammen und das Feuer, welches aus dem Cockpit und dem ehemaligen Frachtraum heraustrat. Ehemalig. Die Limping Owl verschmolz mit dem kalten Gestein auf Yela, an dem sie zuvor zerschellt und zersprungen war. Ein Triebwerk lag einige Meter ausgebrannt daneben, das andere -noch brennende Triebwerk - spendete gefährliche Wärme auf der kalten Oberfläche. Ich wusste nicht was passiert war, aber ich wurde vermutlich herausgeschleudert und lag nun blutend auf dem weißen Frost des Mondes. Mein rechtes Bein schmerzte und als ich meinen Kopf regte, erkannte ich, dass esr wohl von einem herumfliegenden Trümmer zerschmettert worden war. Erschöpft ließ ich den Kopf wieder nach hinten in den Nacken fallen und konsultierte mein Head-Up Display. Meine rechte Hand stocherte wild nach der Medpistole an meiner Hüfte. Blut lief mir im Helm immer wieder über das Gesicht und versperrte mir den klaren Blick.
Im Augenwinkel sah ich eine Zeus sich dem Wrack nähern und langsam landen. Mein Atem stockte. Das konnte doch nicht war sein. Ich wurde hektisch, griff nach der Medpistole und rammte mir eine gute Dosis Roxaphene und Demexatrine in den Blutkreislauf. Meine Pupillen wurden groß, mein Atem zog scharf und stechend in die Brust. Gepresst atmete ich aus und setze mich augenblicklich auf. Es war keine Zeit zu verlieren. Ich holsterte die Medpistole und schaute nach meinem restlichen Utensilien. Das Gewehr köchelte mit dem Rest der Limping Owl aber meine geladene Coda war noch treu an meiner Seite. Ich begab mich auf den Weg zur Zeus, suchte Schutz zwischen dem Gestein und dem Frost, der sich auf meinen Anzug legte, mein Blut verdeckte und mich mit der Umgebung verschmelzen ließ. Die Zeus landete. "Ein schönes Schiff", dachte ich in dem Moment, bevor die Bedrohlichkeit durch den Vollstrecker den Orin mir auf den Hals geschickt hatte, wieder imminent wurde. Die Laderampe wurde hinunter gelassen und mein Vollstrecke verließ das die Rückseite des Schiffs mit gezogenem Gewehr. Ich näherte mich leise und langsam. Mir war unklar, ob er nicht wusste, dass ich nicht lebe oder nur sicher gehen wollte. Mit jedem Schritt den er auf die Absturzstelle zuging, näherte ich mich langsam seiner Flanke. Meine Hand in der ich die Coda hielt zitterte. Ich wollte näher heran, konnte es mir nicht leisten zu verfehlen, ich wollte näher, zu nah. Er drehte sich zu mir um, das Licht der Helmlampen schien in meine Richtung. Erneut fühlte ich dieses Stechen in meinen Adern, wieder diese Wechsel von heiß und kalt. Panik zog durch meinen Geist und ich feuerte die Coda ab, rannte auf ihn zu. Ich hörte Stöhnen, Schreien und Schmerz. Ich fiel um, er fiel um. Wir kämpften. Er zog ein Messer, rammte es mir in die Seite, ich schlug auf den Helm, verletzte mir die Hand. Er gewann die Oberhand, fixierte mich am Boden. Meine Pupillen immer noch weit dann ein Klicken, ein Saugen und Piepen.
Der Vollstrecker, Darek Vos wie ich später erfuhr, hielt sein Messer in der Hand. Er war gerade dabei es auf mich niederfahren zu lassen, da stockte er und sah an seiner Seite hinunter. Mein Blick folgte dem Seinen. Meine Medpistole steckte in seiner Hüfte und hatte ihm gerade eine Dosis an Medikamenten verabreicht. Sein Blick schwenkte wieder zu mir. Mein Herz pochte schmerzhaft laut, meine Finger reagierten von alleine und betätigten den Abzug nochmal, nochmal und erneut. Vom Schock der Überdosis gepeinigt, fiel Darek von mir herab zur Seite. Ich blieb liegen und versuchte wieder meinen Atem zu finden. Unweigerlich quälte sich Darek durch die Konsequenzen meines Handelns. Ich raffte mich auf, stützte meinen leidigen Körper mit den Händen ab und kroch zu Darrik. An seiner Hüfte war noch seine Pistole. Er kam nicht dazu sie einzusetzen...
"Du hast ziemlich Eier, dich zu melden, Xine", fauchte Orin mich über das Mobiglass an. "Ich mach dich fertig, du wirst kein Tageslicht mehr sehen", drohte der wütende, schleimige Mensch mir. Ich hielt mir die Hüfte, das Bein und presste die Zähne zusammen. "Orin, lass uns die Fakten mal betrachten. Dein Druckmittel war die Cutlass. Die ist jetzt nur noch Schrott. Dank dir, wohl gemerkt" - "Dank mir!?", fauchte er tobend. "Ja, dank dir. Du hast deine Jungs auf mich gejagt und die hatten vieles im Sinn, aber nicht das Schiff. Hör zu. Du kannst noch so viele Leute auf mich jagen wie du willst, aber ohne Schiff bekommst du nicht mehr Credits von mir. Du kannst mich umbringen. Mehr Credits bekommst du auch nicht. Also hier mein Vorschlag. Ich gebe dir 40 Prozent..."
"40 Prozent!? Hast du am Quantum geschnüffelt. Junge du schuldest mir eine Millionen Credits" - "Und du schuldest mir ein Schiff, Orin", fauchte ich zurück. Das Gespräch war geladen, ich war vollgepumpt mit Antischmerzmittel und immer noch auf Yela gestrandet.
"40 Prozent, wir sehen uns nicht mehr wieder und wenn doch, klären wir es dann. Deal, Orin?", Orin zögerte. Ich sah durch das Mobiglass in seinem Gesicht den Schmerz, den es verursachte darauf einzugehen. Es war ein Verlust an Stolz der schwer zu schlucken war. Konnte ich verstehen, änderte nur nichts.
"Deal", quittierte Orin und beendete die Verbindung. Ich ließ mich erschöpft auf den Pilotensitz nieder und legte den Kopf in den Nacken, meine Augen wanderten über die Brücke der Zeus in der ich Platz gefunden hatte. "Nettes Schiff", dachte ich, während ich das Mobiglass von Darek zwischen meinen Fingern rieb. Ich musste nur jemanden finden, der es umschreiben würde. Darek würde es erstmal nicht brauchen und ich fand, dass ein Schiff gegen ein Schiff ein guter Tausch war.
"Ein wirklich nettes Schiff"