Riker Memorial Spaceport
Area 18, ArcCorp
Entnervt ließ die Luft aus meinen Lungen fahren und verschränkte die Finger hinter meinem Kopf.
"Na? Was darfs sein?", fragte mich der junge Mann hinter dem Tresen der Imbissbude im Riker Spaceport.
"Ich nehme einen Hotdog und Vestal Wasser.", antwortete ich erneut entnervt. Der junge Kerl quittierte meine Bestellung mit einem zweifelsfreien "Okay" und nickte lethargisch.
"Setzen Sie sich, ich brings gleich vorbei", deutete er mit zwei Fingern auf einen rappligen Tisch um den zwei rapplige Stühle versammelt waren.
Ich seufzte, tat wie mir gesagt wurde und ließ mich auf dem Stuhl nieder. Mein Blick schweifte durch die Ankunftshalle, wo sich Geschäftsleute, Reisende und Leute wie ich, Piloten, die auf den Zoll warteten, versammelten. Mir entfuhr ein spöttisches Murren, als ich diese Zombies beobachtete und wie sie auf ihr digitales Displaystarrten, als um sie herum die Welt stehen blieb. Ich schüttelte den Kopf, öffnete mein Mobiglass und konsultierte meine neuen Nachrichten.
Von: RMSC
An: Zeno 'Xine' MorganEntschuldigen Sie die Wartezeit. Ihre Ladung befindet sich noch in der Zoll-Abfertigung.
Wir setzen Sie darüber in Kenntnis, sobald die die Ware freigegeben ist.
Vielen Dank für Ihre Geduld und genießen Sie ihren Aufenthalt auf Area18.
Riker Memorial Spaceport Customs
Diese Arschlöcher. Ich hämmerte erzürnt auf den klapprigen Tisch und warf dabei mein Wasser fast vom Tisch. Irritiert blickte ich am Mobiglass vorbei auf den Tisch wo nun mein Hot Dog und das Vestal auf mich warteten. Mein Blick glitt hinüber zu dem jungen Kerlchen, der bereits den nächsten Kunden bediente. "Wann hatte er das hier hingestellt?", fragte ich mich, ehe ich das Mobiglass deaktivierte und ich in den Sitz hineinsackte. Das könnte ja was werden. Die Minuten vergingen, irgendwann wurden daraus Stunden. In der Zwischenzeit hatte sich eine junge Frau dazu gesellt. Sie suchte einen freien Platz, ich bot ihr den Gegenüber von mir an. Wir schwiegen uns an während sie fleißig durch ihr Mobiglass scrollte und ich mir auf den großen digitalen Tafeln die Abflüge und Ankünfte anschaute.
Plötzlich schlug sie mit der flachen Hand auf den Tisch. Ich zuckte zusammen.
"Tschuldigung"
"Kein Ding", antwortete ich abweisend.
Wir schwiegen uns wieder einige Sekunden an. "Scheißtag?", eröffnete ich. Sie schwieg und war immer noch in ihrem Mobiglass gefesselt, während ich sie anschaute, versuchte nicht zu starren. Ein kurzer Moment verging, bevor sie ihren Kopf hob und mich ihr fragender Blick traf. Ich setze ein kurzes Schmunzeln auf.
"Bitte sei nicht komisch", ging eine innerliche Mahnung an mich raus.
"Du starrst die Frau an. Du bist komisch!", konterte ich mit mir selbst in einem Schlagabtausch.
"Sorry, haben Sie was gesagt?"
"Obs ein Scheißtag ist" - "Oh..", lachte sie etwas verlegen und strich sich eine Strähne aus dem Gesicht.
Sie nickte kurz ohne den Blick vollständig vom Mobiglass zu nehmen.
"Könnte man so sagen, hier gibts wieder nur Ärger", erklärte sie und deutete mit einem Finger leicht auf ihr Mobiglass.
"RMSC?" - "Nein, ein Lieferant ist abgesprungen und jetzt sitzt die Ware hier fest", antworte sie während ihre Stimme nur zu deutlich darlegte wie scheiße der Tag bisher gewesen war.
Erneut hob sie den Kopf.
"Und...Sie?", fragte sie vorsichtig, während ich einen Schluck von meinem Wasser nahm, was für ein Timing.
Ich deutete mit meinem Zeigefinger an, dass ich einen Moment bräuchte, setzte die Flasche ab und räusperte mich.
"RMSC. Kontrolliert seit einer Stunde bereits meine Lieferung und...es könnte noch etwas dauern", sie schmunzelte.
"Ein Pilot also. Sie haben nicht zufällig noch ein paar SCU frei und Lust auf ein paar Credits?", offerierte sie mir mit einem kecken Grinsen im Gesicht. Ich stieg auf ihr Grinsen ein und schmunzelte.
Einige Stunden vergingen. Irgendwo dazwischen hatten wir uns von den klapprigen Stühlen verabschiedet und es uns auf den Sofas in der Ankunftshalle gemütlich gemacht. Nachdem das geschäftliche geklärt war und es sich abzeichnete, dass ich noch etwas auf Area18 festsitzen würde, redeten wir über Gott und die Welt, tauschten Erfahrungen mit dem Zoll aus, sprachen über den Goldrausch den Pyro heimsuchte und über meine nomadenhaften Züge. Schlussendlich holte mich das Mobiglass wieder zurück in die Realität.
Von: RMSC
An: Zeno 'Xine' MorganEntschuldigen Sie die Wartezeit. Ihre Ladung ist nun freigegeben.
Wir wünschen Ihnen eine gute Reise.
Riker Memorial Spaceport Customs
"Heureka", schreckte ich auf. Ohne viel Zeit zu verlieren, bedankte ich mich für das Gespräch, verabschiedete mich und machte mich auf zum Hangar. Es waren nur einige Stunden, doch ich konnte es kaum erwarten wieder im Cockpit zu sitzen. Heute mehr als zuvor, hatte ich einen Drang umher zu kommen und sorgte mich darum irgendwo Wurzeln zu schlagen. Mit der Extrafracht in der Zeus änderte sich mein Reiseplan nur geringfügig und die Abwechslung war willkommen. Nächster Halt: Microtech.
Ein paar Stunden später.
Irgendwo in der Nähe von "The Icebreaker"
microtech
Mit brachialen Lärm fegte des Schnee vom Boden. Die Erschütterungen spürte man nicht nur in den Füßen, sondern im gesamten Körper und zwar jedes Mal wenn die Rennversion der Fury um die nächste enge Kurve scherrte und mit Nachbrenner über die Zielmarkierung sauste. Das donnernde Gewitter war von einem Jubeln und Feiern begleitet, ehe die Fury sich in der nächsten Kurve den G-Kräften hingab und eine neue bahnbrechende Runde absolvierte. Der Icebreaker war eine geniale Strecke und trotz der Kälte zog es immer wieder Rennbegeisterte hierher, die versuchten ihre Rekorde und die der anderen zu brechen. Ich hatte es mir in der Küche der Zeus gemütlich gemacht und schaute durch das Fenster dem Treiben zu während ich mein Müsli löffelte. Ich ertappte mich dabei, wie ich ab und zu die Triebwerksgeräusche mit meinem Mund nachahmte, sobald die blaue Fury an der Zeus vorbei segelte. Was ein geniales Gefährt der Sitz mit Triebwerken doch war. Die Aussicht da oben musste spektakulär sein und die Vorstellung, wie der Pilot oder die Pilotin sich durch die Kurven kämpfte ließ meinen Puls rasen. Ich wollte am liebsten sofort aufstehen, mir einen Helm greifen, in die Fury einsteigen und ein paar Runden drehen, nur um wieder dieses Gefühl zu erleben.
"Hey, warum eigentlich nicht", schoss mir der Gedanke durch den Kopf.
Genau, wieso eigentlich zur Hölle nicht. Als Kind wollte ich im Murray-Cup fliegen, berühmt werden und mich mit anderen messen. Ohne Schiff und Unterstützung blieb es aber nur bei einem Traum. Jetzt könnte ich mich dem doch widmen. Nicht mit einer geliehenen Razor, nicht wie letztes Jahr nur halbgarr, sondern so richtig. Mit einem eigenen Schiff. Nur mit welchem war die Frage?
Die Fury rauschte erneut an der Zeus vorbei, mein Müsli wurde erschüttert und stellenweise aus der Schüssel geworfen. Die Entscheidung stand.
Am selben Tag
Old 38
Grim Hex, Yela
In der Vergangenheit hatte ich diesen Ort gemieden wie der Teufel das Weihwasser. Nur eine Handvoll Mal war ich bereits Gast auf der Station gewesen. Natürlich ging es um Grim Hex. Die Heimat der Schlechten, Bösen und Boshaften. Der Ort an dem Freiheit auf Chaos traf und sich in den Wirren der opulenten Station verloren. In vergangenen Tagen hatte ich mir in den Kopf gesetzt, dass es nur zwei Typen von Menschen hier gab. Die Möchtegern Psychopathen, die der Anarchie frönten und die Syndikaten mit ihren Hinterzimmern, die so mächtig und geheimnisvoll waren, dass allein ihre Namen zu kennen gefährlich war.
Grim Hex war wie eine Stadt die man in zwei Teile zerbrochen und den Leuten gesagt hat sie sollen es schon regeln. Hier vermischten sich zerbrochene Träume, mit Angst, Dominanz und dem Geruch von Gier und Reue. Entweder rannte man auf etwas zu oder davon weg. Und so schwenkte ich mein Schmolz in der rechten Hand, legte das braune Glas an meine trockenen Lippen und nahm einen beiläufigen Schluck. Mich trieb es hierher weil ich wohl ein bisschen von beiden war. Zu hart für die Anzugträger und Gutmenschen, zu weich für die harten Jungs. Einfach jemand der von Ort zu Ort driftete, nahm was er kriegen konnte, versuchte dabei den Kopf nicht zu verlieren und scheiterte.
Ich seufzte und mein Blick driftete durch die Old 38, dem schlecht beleuchteten Forum der Station, welches durch ein Gekritzeltes Aushängeschild draußen auf sich aufmerksam machte. Genau wie der Rest der Station lud hier nichts zum Verweilen ein, man war hier weil man musste oder weil man wollte. Ich log mir selbst vor, dass ich musste, aber hey ich war es nie anders gewohnt. Die Lüge, die ich mir eingeredet hatte sesshaft zu werden und mir auf Area18 einem platten Arsch zu sitzen? Lächerlich. Klar, manchmal denke ich, dass ich irgendwann mit einem kleinen Häuschen auf einem Planeten sitze, Schmolz schlürfen und mir an den Füßen spielen würde. Doch dann denke ich an den Cargo-Job der mich da hinbringen könnte und mir kommt die Galle im Hals hoch. Ich würde das eh wieder verbocken, irgendeine bescheuerte Entscheidung treffen und mich in mitten von Laser-Gewittern, den falschen Leuten und brachialen Geschwindigkeiten wiederfinden. Aber zumindest wäre ich am Leben und kein halbtoter Zombie.
Nein, das hier, das ist wie ich bin.
Kein Outlaw, kein Anzugträger. Einfach ein Pilot mit einem Hang zu hohen Geschwindigkeiten und Nervenkitzel, der ihn in die Arme einer Fury treibt. Und weil nichts davon die Rechnungen bezahlte muss man manchmal raus in die echte Welt, sich irgendeinen Scheißjob angeln, dabei nicht draufgehen und wieder auf der Piste stehen. Ein Tanz auf Messers Schneide. Und wenn es klappte dann warum zum Teufel eigentlich nicht? Und wer tanzte denn hier nicht darauf?
Ich ließ meinen Blick durch die Bar schweifen und blieb an zwei komischen Vögeln kleben, die sich irgendwelche Geschichten erzählten. Einer von beiden hatte ein blaues Auge und der andere rieb sich über die Arme und wirkte nervös. Seine Haare waren rasiert, sein Gesicht hager und der Körper dürr. Er trug einen Raumanzug der aber an ihm so absolut lächerlich dürr aussah, dass man fast Mitleid hatte. Selbst im schummrigen Licht erkannte ich an seinem kalkartigen Hals die Auswirkungen von zu viel WiDow. Hier warst du, wer du bist und nicht was du in deinem früheren Leben warst. Vielleicht war das der Charme von Hex, dass mir einfach scheiß egal war was sich der Andere über mich scherte.
Ich spürte ein Schmunzeln auf meinem Lippen und schob den Blick zur Seite. Ich senkte meine Kopf. Zwischen meinen Fingern rieb ich das Mobiglass von Derek Vos. Eine dieser vielen schlechten Entscheidungen, die ich getroffen hatte und aus denen ich nun versuchte das Beste zu machen. Zero hatte sich auf meine Nachricht gemeldet. Er brauchte einen Cryptokey und Zugang zu einem DataCenter. Natürlich, brauchte er das. Alles andere, es wäre zu einfach gewesen. Alles in mir schrie mich an, die Finger davon zu lassen, einfach abzudrehen aber ehe ich mich versah, war ich schon im Anflug auf Hex gewesen. Den Cryptokey hier zu besorgen war ein absolutes Kinderspiel aber für den Bruch in ein MT Datacenter brauchte ich ein paar Bekloppte. Und genau die suchte ich gerade in der '38.
Erneut legte ich das braune Glas an meine Lippen und leerte den Inhalt. Hämmernd ließ ich die Flasche auf den Tisch sinken. Es war Zeit für die nächste dumme Entscheidung.
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